PtX Lab Lausitz und Partner veröffentlichen Studie zur Entwicklung von Standards für nachhaltiges synthetisches Kerosin.
Die Herstellung von synthetischem Kerosin – auch eKerosin oder PtL für die Luftfahrt genannt – ist aufwändig, komplex und erfordert vor allem auch den intensiven Einsatz von verschiedenen Ressourcen. Wie müssen also beispielsweise Energie, Wasser und Rohstoffe zum Einsatz kommen, damit der „grüne“ Treibstoff tatsächlich zum Wohl von Umwelt und Gesellschaft wirkt? Wenn negative ökologische, ökonomische und soziale Folgen vermieden werden sollen, braucht es klar definierte, glaubwürdige und von verschiedenen Akteur*innen akzeptierte Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Produktion und Nutzung von eKerosin. Die öffentliche Diskussion über derartige Standards wurde bislang nur in sehr begrenztem Umfang geführt.
Belastbare Standards für heute und die Zukunft
Das PtX Lab Lausitz hat daher im Frühjahr 2022 die Forschungseinrichtungen Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBST) und das ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung beauftragt, Kriterien und Indikatoren für die Nachhaltigkeit von PtL-Produkten zu erarbeiten. Ziel ist es, ambitionierte Standards zu entwerfen – jeweils passend für die technischen Möglichkeiten in Gegenwart und Zukunft. Der in der Studie als „langfristiger Standard“ definierte Vorschlag formuliert ein Idealziel für nachhaltig produzierten, synthetischen Treibstoff für den Luftverkehr basierend auf dem PtL-Verfahren. Zusätzlich wird mit dem „kurzfristigen Standard“ ein Kompromiss zwischen einem schnellen Markthochlauf und der bestmöglichen Nachhaltigkeit dargestellt.
Im ersten Schritt der Untersuchung wurden die ökologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Dimensionen von Nachhaltigkeit für PtX im Allgemeinen definiert. Im zweiten Schritt haben LBST und ifeu spezifische Nachhaltigkeitskriterien für PtL im Luftverkehr herausgearbeitet, die für den langfristigen Standard weiter in Form von Indikatoren konkretisiert werden. Darauf aufbauend bietet die Studie auch Vorschläge, wie der Standard in ein Zertifizierungssystem inhaltlich und organisatorisch-strukturell integriert werden kann.
Kernpunkte der Studie „Entwicklung von PtX-Nachhaltigkeitsstandards und -indikatoren“ lauten:
Zentral für die Nachhaltigkeit: die CO2-Quelle
Die Herkunft des CO2 stellt – neben dem Einsatz der Primärenergie – ein weiteres zentrales Element für die Bewertung der Nachhaltigkeit der Herstellung von synthetisierten Kohlenwasserstoffen dar. Je nach Quelle müssen dabei neben der grundlegenden Bilanzierung der Treibhausgase (THG) weitere wichtige Aspekte für eine umfassende Bewertung hinzukommen.
Die Studien-Autoren analysieren den Beitrag der CO2-Quellen zur THG-Bilanz von PtL-Produkten nach verschiedenen Bilanzierungsansätzen, u.a. aufbauend auf zwei ISO-Normen. Die Kriterien, die die Europäische Kommission vorgeschlagen hat (Entwurf des delegierten Rechtsakts (DA) zum Artikel 28(5) der EU-Richtlinie 2018/2001 (RED II) vom 20.0522), erwarten die Autoren als gesetzlichen Mindeststandard für strombasierte Kraftstoffe produziert in und importiert nach Europa. Darin werden bestimmte CO2-Quellen nicht explizit ausgeschlossen, jedoch ergibt sich über die Mindestanforderung für die Treibhausgasreduktion, dass CO2 aus dem Verbrennen fossiler Brennstoffe als Hauptprodukt (wie z.B. aus Kohlekraftwerken) nicht zulässig wäre.
Der langfristige Standard orientiert sich konsequent am ISO Standard 14067 und lässt daher nur Direct Air Capture (DAC) und biogene CO2-Quellen zu. Allerdings sprechen weitere Nachhaltigkeitsanforderungen dagegen, Kohlenstoff aus Biomasse langfristig als nachhaltig einzustufen. Insbesondere die Festigung von nicht-nachhaltigen Praktiken in der Landwirtschaft und in der Abfallwirtschaft (Lock-In-Effekte) sprechen dagegen.
Schwer zu fassen: die Ressourceneffizienz
Was sind geeignete Kriterien für die Einordnung der Ressourceneffizienz bei der PtL-Herstellung? Von Produzierenden neben der THG-Bilanz regelmäßige Rohstoffbilanzen einzufordern, erscheint nicht angemessen. Dafür bräuchte es sehr umfangreiche und komplexe Zahlen über den gesamten Lebensweg aller Bestandteile hinweg. Angesichts fehlender Datenlage schlagen die Autoren vor, ein Kriterium im Rahmen einer Zertifizierung zu wählen, das eine gute Praxis von einer weniger guten im Zuge der Produktionskette unterscheidet. So positionieren LBST und ifeu den Kumulierten Energieaufwand (KEA) als „Proxy“ für Ressourceneffizienz.
Da es aktuell wissenschaftlich strittig ist, ob sich dieser „Stellvertreter“ eignet, wird das PtX Lab Lausitz dieses Themenfeld weiter inhaltlich aufarbeiten. Um den identifizierten Flaschenhals bei der Entwicklung und Harmonisierung von Nachhaltigkeitskriterien zu adressieren, sieht das PtX Lab Lausitz eine Folgestudie vor. Diese soll den Ressourcenbedarf und die ökologischen bzw. ökonomischen Grenzen zur Deckung des Bedarfs analysieren.
Weiterer Forschungs- und Diskussionsbedarf
Das Ptx Lab sieht auch bei anderen Kriterien weitere bestehenden Forschungs- und Diskussionsbedarfe. Dies gilt beispielsweise für die Darstellung von sozialen und ökonomischen Entwicklungspotenzialen. Es zeigt sich auch die Frage, ob und wie weitere Kriterien in die Betrachtung aufgenommen werden können, zum Beispiel in Hinblick auf gute Unternehmensführung oder Risikomanagement.
Das PtX Lab Lausitz wird den Austausch und die fachliche Arbeit zur Aufstellung von Nachhaltigkeitsstandards für PtL-Produkte weiter fortsetzen. Weitere Publikationen aus dem PtX Lab Lausitz zur Definition und Zertifizierung von Nachhaltigkeit für PtX-Produkte, -Technologien und -Regularien werden folgen. Gerne stehen die Mitarbeitenden für Fragen und den Austausch zur Verfügung. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Anita Demuth, stellvertretende Leiterin PtX Lab Lausitz, unter den unten genannten Kontaktdaten.