Zehn Jahre Pariser Abkommen: Globale Klimapolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Bilanz der internationalen Klimadiplomatie und was nun entscheidend wird
Die internationale Klimadiplomatie hat in den Medien und der Gesellschaft häufig einen schlechten Ruf – zu Unrecht.
Das Pariser Klimaabkommen oder kurz Pariser Abkommen vom Dezember 2015 markiert einen großen Erfolg in der internationalen Diplomatie: Zum ersten Mal seit der Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention der UN (UNFCCC) im Jahr 1992, haben sich alle Staaten darauf verständigt, sich mit eigenen Maßnahmen am globalen Klimaschutz zu beteiligen.
Jeder Staat muss einen sogenannten nationalen Klimaschutzbeitrag (NDC) dem Sekretariat der UNFCCC vorlegen, diesen regelmäßig nachschärfen und über seine Umsetzung berichten. Das sind rechtlich bindende Vorgaben, um mit diesen NDCs gemeinsam das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen: Den globalen Temperaturanstieg durch den menschengemachten Ausstoß von Treibhausgasen zu stoppen.
Die nationalen Klimabeiträge enthalten konkrete Reduktionszahlen für die gesamten jeweils nationalen Treibhausgasemissionen mit den Etappenzielen 2035, 2040 oder 2050. Die meisten Länder streben zudem eine klimaneutrale Volkswirtschaft bis 2050 an.
Damit soll das Ziel des Pariser Abkommens erreicht werden, „den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da dies die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels deutlich verringern würde“ (Auszug aus dem Pariser Klimaabkommen).
Den Gesprächsfaden der Klimadiplomatie weiterspinnen
Ein Höhepunkt der internationalen Klimadiplomatie ist die jährliche im öffentlichen Diskurs „Weltklimakonferenz“ genannte Konferenz der Vertragsparteien (COP). Die Vertragsparteien sind die Länder, die die UNFCCC ratifiziert haben. Auf die zweiwöchige Konferenz, die gerade erst im brasilianischen Belem zu Ende gegangen ist, entsenden die Länder ihre Fachleute, Delegierte und teilweise auch ihre Staatsoberhäupter, um über Fortschritte im Klimaschutz zu beraten. Das Pariser Abkommen ist dabei ein zentraler Verhandlungspunkt. Es ist eigener völkerrechtlich bindender Vertrag im Rahmen der UNFCCC oder anders gesagt ihr konkreter Umsetzungsplan.
Seit 2015 werden die Paragrafen (Artikel genannt) des Abkommens immer wieder mit konkreten Formulierungen ergänzt. Denn viele Details waren beim Herunterschellen des Hammers durch den französischen COP-Präsidenten am 12.12.2015 in Paris, Laurent Fabius, nicht ausdiskutiert. So konnte zum Beispiel das Regelwerk zum Artikel 6 des Pariser Abkommens (Art. 6 PA) im letzten Jahr, nach neun Jahren Verhandlungen, für die praktische Anwendung hinreichend abgeschlossen werden. Damit ist die Voraussetzung erfüllt, um internationale Emissionsgutschriften (Offsets) zwischen den Ländern zu handeln, also kaufen und verkaufen, und sie mit den Klimazielen aus den NDCs zu verrechnen.
Der enorme Gewinn des Pariser Abkommens liegt vor allem darin begründet, dass es einen Schub im tatsächlichen Klimaschutz, der Klimafinanzierung und der Klimaanpassung gab. Es hat auch den jährlichen COPs neuen Schwung gegeben. Nach jeder COP wird die nächste wieder vorbereitet: in unzähligen Arbeitsgruppen und zähen, kleinteiligen Verhandlungen durch die Unterhändler während des gesamten Jahres. Auf diesen Arbeitstreffen geht es um die Positionen der Länder, wie sie Klimaschutz zuhause, also national, am besten umsetzen können.
Dabei bilden sich neue Koalitionen, die häufig nicht den aktuellen politischen Trennlinien auf der Weltbühne entsprechen. Das heißt, hier verbünden sich Länder, die in anderen politischen Punkten gerade heftige Konflikte austragen. Damit bieten sich Chancen, Gespräche zu führen, die bei anderen Themen gar nicht mehr möglich sind. Die Weltklimakonferenzen sind damit ein wichtiges diplomatisches Mittel der Gegenwart: nicht nur um das Weltklimas, sondern auch das politische Klima zu retten. Günstig ist dafür, dass sich Fragen des Klimaschutzes heute nicht mehr von Fragen des Welthandels und der finanziellen Unterstützung für Länder des Globalen Südens trennen lassen.
Internationale Luft- und Schifffahrt gehören nicht zum Pariser Abkommen
Ein Wermutstropfen ist die Tatsache, dass im Pariser Abkommen die Emissionen der internationalen Luft- und Schifffahrt ausgeklammert sind. Dabei stehen die Sektoren für rund fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen (für nähere Informationen empfehlen wir Ihnen unsere Publikationen PtX Lab Analysis „Kurs auf Klimaneutralität – Regulatorische Anforderungen und Umsetzungspfade im Seeverkehr“ sowie die PtX Lab Analysis „Themenpapier Luftfahrt“).
Das heißt, dass die NDCs der Länder, diese Emissionen nicht abdecken müssen. Hingegen sind Emissionen aus reinen Inlandsflügen in manchen NDCs wie auch dem der Europäischen Union enthalten. Es sind allerdings die Langstreckenflüge und interkontinentalen Schiffstransporte, die die Emissionen global nach oben treiben.
Seit dem Kyoto-Protokoll, dem ersten Umsetzungsplan zur UNFCCC, gilt diese Sonderregelung, also seit über 20 Jahren. Sie besagt, dass für die Emissionen aus internationalen Flügen und Schifffahrten die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) der UN und die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) der UN jeweils zuständig sind. Diese haben mit Verzögerung gegenüber dem Pariser Abkommen eigene Reduktionsziele und -fahrpläne in den letzten Jahren vorgelegt.
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Um die Flug- und Schifffahrtsemissionen zu verringern, ist Druck aus Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft nötig. Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, um den Wirtschaftsakteur*innen in diesen Sektoren klare Signale zu senden.
Die IMO setzt auf ihre „Strategie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Schiffen“ aus den Jahren 2018 und 2023 mit konkreten ambitionierten Minderungszielen bis 2030.
Zudem hat sie im Frühjahr 2025 einen globalen Bepreisungsmechanismus für Emissionen beschlossen, der bei der Umsetzung der Reduktionen wesentliche Anreize bieten soll. Doch bei der Verabschiedung des Maßnahmenplanes im Herbst 2025 gab es keine gesicherte Mehrheit und die Entscheidung wurde verschoben.
Die ICAO hat im Jahr 2016 das marktbasierte Instrument CORSIA zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verabschiedet. Ziel ist, dass die Airlines diejenigen Emissionen, die über ein Basisemissionsniveau hinausgehen, ausgleichen oder kompensieren müssen. CORSIA ist die erste Maßnahme der ICAO, um die internationale Luftfahrt zu defossilisieren.
Das Langfristziel der ICAO, bis 2050 Netto-Null Emissionen erreichen, also CO2-neutral werden, wird damit allein nicht erreicht. Dazu sind die CORSIA Regelungen nicht ambitioniert genug und das System ist nur bis 2035 geplant. Außerdem zögern auch hier einige Länder mit den höchsten Luftverkehrsaufkommen, CORSIA wirksam umzusetzen.
Der Kompass für eine klimasichere Zukunft
Hier muss schnell nachgebessert werden. Stärkere Forderungen aus der Zivilgesellschaft, diese Transportsektoren konsequenter in die Pflicht zu nehmen, wären ein wichtiges Zeichen. Die Weltklimakonferenz bietet mit ihren so genannten Side-Events und dem COP-Ausstellungsgelände Treffpunkte für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Vertreter*innen aus Politik und Industrie oder Indigene Gruppen an, um sich am Rande der offiziellen Verhandlungen auszutauschen.
Oft entstehen aus solchen informellen Treffen neue Initiativen, wo staatliche Maßnahmen noch zu wenig greifen. Ein Beispiel ist die „Clydebank-Deklaration“, bei der sich über 20 Länder auf der COP 26 im Jahr 2021 geeinigt haben, globalen Schiffsrouten mit einer CO2-reduzierten Infrastruktur einzurichten.
Die Weltklimakonferenz mit ihrem Auftrag, die Ziele des Pariser Abkommens zu überwachen und umzusetzen, ist ein ganz wesentlicher Hebel, um die Klimadiplomatie (nach) zu schärfen. Inwieweit der nun beginnende Handel mit Emissionsgutschriften durch die Anwendung von Artikel 6 des Pariser Abkommens helfen kann, die Emissionen auch im internationalen Flug- und Seeverkehr zu senken, ist eine heiß diskutierte Frage. Es hängt auch von den politischen Unterhändler*innen, den Wissenschaftler*innen, NGOs und anderen Akteur*innen ab.
Wie streng wird der CO2-Handel überwacht? Oder, wie ernst nehmen sie die Ziele des Pariser Abkommens? Konkret: Wo streiten sie nur für nationale Interessen und wo geben sie diese für das gemeinsame globale Ziel auf?
Das Pariser Abkommen ist dabei ihr und unser Kompass für eine klimasichere Zukunft aller Länder.
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